5.2.4 Dekubitalulkus

Synonyme

Dekubitus, Druckgeschwür.

Epidemiologie

Prävalenz: 10% hospitalisierter Patienten; 5% der Patienten mit häuslicher Pflegebedürftigkeit.

Definition

Druckbedingter Hautdefekt über Auflagestellen von darunter liegenden knöchernen Strukturen.

Aetiologie & Pathogenese

Druckischämie bei verlängerter Auflage in unveränderter Körperhaltung über unmittelbar subkutan gelegenen Knochen.

 

Risikofaktoren: Bettlägerigkeit, Bewegungseinschränkung nach Schlaganfall, Kachexie, starkes Übergewicht, Paraplegie, Bewusstlosigkeit, Narkose, Schock, Diabetes mellitus, Polyneuropathie, Anämie.

 

Zwei Stunden Ischämie reichen für die Induktion eines Dekubitalgeschwürs aus. Oft resultieren kavitäre (höhlenförmig unterminierte) Wunden bis auf das Periost, da die Muskulatur am Ischämie-empfindlichsten ist, gefolgt von der Subkutis und der Dermis.

Symptome

Initial livide Rötung über der Auflagestelle, nur partiell anämisierbar. Dieses Stadium ist reversibel. Später Ulkus bis in die Subkutis, Muskulatur oder bis auf den Knochen (häufig). Höhlenartiger Gewebedefekt mit zunehmendem Durchmesser zur Tiefe. Fötider Geruch.

Lokalisation

Typische Auflagestellen: Sakrum, Trochanteren, Fersen, Wirbelsäule, Ellbogen, Handgelenke, Hinterhaupt.

Klassifikation

  • Stadium I Livides Erythem (Makula), partiell anämisierbar.
  • Stadium II Ulkus bis Subkutis.
  • Stadium III Ulkus bis Muskulatur.
  • Stadium IV Ulkus bis Knochen mit Freilegung von Fascie, Muskulatur, Sehnen, Bänder, Knorpel und Knochen.

Labor & Zusatzuntersuchungen

Entzündungsparameter, Albumin; bildgebende Verfahren; Prüfung der Ernährung; Ausschluss von Diabetes und einer Polyneuropathie anderer Ursache (Lepra, Lues III/IV).

Dermatopathologie

Biopsie vom Ulkusrand bei fehlender Heilungstendenz innerhalb von 8-12 Wochen zum Ausschluss eines tumorösen Prozesses.

Verlauf

Ohne Druckentlastung progredient. Gefahr der Phlegmone und einer Sepsis.

Komplikationen

Progredienz, Superinfektion mit bakteriellen Mischinfekten, häufig auch mit Anaerobiern, Erysipel, Phlegmone, Sepsis, Osteomyelitis.

Diagnose

Klinisch, Sondierung der Ausdehnung mit Knopfsonde, Debridement, evtl. Röntgen, MRT. Erfassung der Risikofaktoren, evtl. Nutrogramm (Ernährungsprofil).

Differentialdiagnosen

Neuropathisches Druckulkus. Ulzerierende Tumoren. Fistulierende Infektion (z.B. infizierte Hüft-Endoprothese); Artefakt; Traumen.

Therapie & Prävention

Im Vordergrund steht die Prävention: Konsequente Druckentlastung bettlägeriger, geschwächter Patienten durch zweistündliches Umlagern mit entsprechenden Kissen, welche die Patienten in einer 30° Seitenlage stabilisieren und gleichzeitig das Sakrum und die Trochanteren entlastet.

 

Korrektur eines reduzierten Ernährungszustandes.

  • Im Stadium I ist der Gewebeschaden reversibel. Sofortige Einleitung konsequenter Druckentlastungsmassnahmen. Schutz der vorgeschädigten Hautstelle, beispielsweise durch einen Hydrokolloidverband.
  • Im Stadium II ist ein oberflächlicher Gewebeschaden gesetzt. Debridement des nekrotischen Gewebes und Therapie nach den Prinzipien der feuchten Wundbehandlung. Beim Vorliegen eines Wundinfektes Antibiotikatherapie.
  • Im Stadium III und IV wird der tatsächliche Gewebeschaden inspektorisch oft unterschätzt. Ausgiebiges Debridement und Resektion der überhängenden Wundränder. Vakuum-assistierte Wundtherapie bis zum befriedigenden Aufgranulieren und später feuchte Wundbehandlung bis zur Abheilung. Oft ist eine chirurgische Deckung der Wunde mit einem myokutanen Lappen angezeigt. 
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